Die wichtigsten Auszüge des FIA-Urteils im Detail: In Punkt 3.4 des Urteils heißt es, dass alle drei von FIA-Präsident Max Mosley zur Kooperation aufgeforderten McLaren-Mercedes-Fahrer schriftliche Erklärungen eingereicht haben. Hamilton schrieb lediglich, er könne keine relevanten Informationen liefern, während Alonso und de la Rosa E-Mails einschickten, die das WMSC als "sehr relevant" einstuft: "Die E-Mails zeigen übereinstimmend, dass Herr de la Rosa und Herr Alonso vertrauliche Ferrari-Informationen von Coughlan erhalten haben. Beide Fahrer wussten, dass es sich dabei um vertrauliche Ferrari-Informationen handelte, und beide wussten, dass Coughlan diese von Stepney erhalten hatte." In Punkt 3.5 heißt es: "Herr de la Rosa schrieb Coughlan in den folgenden Worten: 'Hi Mike, kennst du die Gewichtsverteilung des roten Autos? Es wäre wichtig für uns, das zu wissen, damit wir es im Simulator ausprobieren können. Danke im Voraus, Pedro. P.S.: Ich werde morgen im Simulator sitzen." Laut Punkt 3.6 habe de la Rosa vor dem WMSC bestätigt, auf diese Nachricht von Coughlan eine detaillierte Antwort mit Daten über Ferraris Gewichtsverteilung erhalten zu haben. In Punkt 3.7 heißt es weiter, de la Rosa habe diese Daten, die sich auf Ferraris Setup beim Grand Prix von Australien bezogen haben, auf zwei Dezimalstellen genau an Alonso weitergeleitet. In Punkt 3.8 wird Alonsos Antwort veröffentlich: "Ihre Gewichtsverteilung überrascht mich. Ich weiß nicht, ob das hundertprozentig zuverlässig ist, aber zumindest ist es interessant." Punkt 3.9 enthält de la Rosas Antwort: "Alle Informationen von Ferrari sind sehr zuverlässig. Sie kommen von Nigel Stepney, ihrem früheren Chefmechaniker - ich weiß nicht, welche Position er jetzt besetzt. Er ist die gleiche Person, die uns in Australien gesagt hat, dass Kimi (Räikkönen; Anm. d. Red.) in Runde 18 an die Box kommen wird. Er versteht sich sehr gut mit Mike Coughlan, unserem Chefdesigner, und hat ihm das erzählt." Interessant in diesem Zusammenhang: Räikkönen kam in Australien zwar erst in der 19. Runde zum Boxenstopp, also eine Runde später als im E-Mail-Verkehr vermutet, doch das könnte daran liegen, dass es zu Beginn des Rennens eine Safety-Car-Phase gab. Das entkräftet wiederum die McLaren-Mercedes-Argumentation, man habe dieser Information keine Beachtung geschenkt, weil sie nicht präzise gewesen sei. Was die Gewichtsverteilung angeht, so behauptet de la Rosa, er habe die von Coughlan erhaltenen Daten am folgenden Tag im Simulator doch nicht ausprobiert, weil das Basissetup des MP4-22 ganz anders sei als jenes des Ferrari F2007. Das WMSC empfindet diese Argumentation jedoch als nicht befriedigend. In Punkt 3.12. zitiert das WMSC neuerlich aus de la Rosas E-Mail an Alonso vom 25. März, in der de la Rosa erklärt, das Team habe einen Heckflügel getestet, der "eine Kopie des Systems, von dem wir denken, dass es Ferrari verwendet", ist. Ferner seien genaue Ferrari-Daten über das Verhalten des Heckflügels des F2007 bei 250 km/h vorgelegen. Das WMSC anerkennt zwar, dass McLaren-Mercedes dies auch über legale Beobachtungen festgestellt haben könnte, es sei aber "klar", dass die vertraulichen Informationen von Stepney über Coughlan zu de la Rosa gewandert sind. In Punkt 3.13 verweist das WMSC auf de la Rosas Aussage in einer E-Mail, wonach Ferrari ein spezielles Gas verwende, um das Graining der Reifen zu reduzieren: "Wir müssen das ausprobieren, es ist einfach", wird er zitiert. Allerdings wandte sich de la Rosa mit diesen Informationen an einen Bridgestone-Ingenieur, der ihm mitgeteilt haben soll, dass dies nichts bringen würde - Ferrari habe damit schon vor langer Zeit erfolglos experimentiert. In Punkt 3.14 wird Alonso zitiert: Es sei "sehr wichtig", dieses Gas auszuprobieren, weil Ferrari "etwas anderes als der Rest" habe, und zwar "nicht nur dieses Jahr. Da ist noch etwas, das könnte der Schlüssel sein. Hoffen wir, dass wir es bei diesem Test ausprobieren und zu einer Priorität machen können!" De la Rosa antwortete: "Ich stimme dir hundertprozentig zu, dass wir diese Sache bald testen sollten." Laut Punkt 3.18 wandte sich de la Rosa am 12. April per E-Mail mit folgender Bitte an Coughlan: "Kannst du mir so gut wie möglich erklären, wie Ferraris Bremssystem funktioniert? Justieren sie es vom Cockpit aus?" Coughlan antwortete zwei Tage später. Seine Schlussworte: "Wir schauen uns etwas Ähnliches an." Daraus schließt das WMSC, dass das Bremssystem von Ferrari zwar nicht direkt kopiert, aber zumindest als Anregung verwendet wurde. Ganz entscheidend auch: Dem WMSC liegen laut Punkt 4.6 Unterlagen der italienischen Polizei vor, wonach es zwischen Coughlan und Stepney zwischen 11. März und 3. Juli regen Informationsaustausch gegeben hat - in Form von 288 SMS-Nachrichten und 35 Telefonaten. Coughlans Behauptung in der eidesstattlichen Erklärung, er habe sich mit Stepney nur ausgetauscht, um gemeinsam bei einem anderen Team - Honda oder Toyota - anzuheuern, wird vom WMSC insofern nicht akzeptiert, als die Kommunikation zwischen Coughlan und Stepney gerade um Rennwochenenden und Testfahrten eindeutig intensiver war als sonst. In Punkt 5.3 kommt das WMSC zu der Schlussfolgerung, dass McLaren-Mercedes selbst dann von den Ferrari-Informationen profitiert haben würde, wenn Coughlan diese für sich behalten hätte, wie es ja immer noch behauptet wird. Denn alleine schon durch die Kenntnis der auf 780 Seiten festgehaltenen Dokumente könnten sich Coughlans gegenüber anderen Ingenieuren geäußerten Ansichten verändert haben. Daraus habe McLaren-Mercedes möglicherweise indirekt einen Wettbewerbsvorteil geschöpft. In Punkt 7.1 heißt es wörtlich: "Das WMSC glaubt, dass die Art und Weise der unrechtmäßig von McLaren besessenen Informationen von einer Art und Weise sind, dass sie einen sportlichen Vorteil für McLaren gebracht haben könnten, wenn diese verwendet oder in Betracht gezogen wurden." In Punkt 8.8 schlussfolgert das World Council wie folgt: "Coughlan hatte mehr Informationen als zuvor angenommen und erhielt diese Informationen auf systematische Weise über einen Zeitraum von mehreren Monaten." "Die Informationen wurden zumindest bis zu einem gewissen Grad (zum Beispiel an Herrn de la Rosa und an Herrn Alonso) innerhalb des McLaren-Teams verbreitet." "Die innerhalb von McLaren verbreiteten Informationen beinhalteten nicht nur hochsensible technische Informationen, sondern auch geheime Informationen bezüglich Ferraris sportlicher Strategie." "Herr de la Rosa forderte in seiner Funktion bei McLaren geheime Ferrari-Informationen von einer Quelle an und erhielt diese, obwohl er wusste, dass die Quelle nicht legitim war, und brachte explizit zum Ausdruck, dass er die Informationen im Simulator testen möchte." "Die fraglichen Geheiminformationen teilte er Herrn Alonso mit." "Es gab eindeutige Absichten von einigen McLaren-Mitarbeitern, die Ferrari-Informationen bei Tests zu verwenden. Wenn diese tatsächlich nicht angewendet wurden, dann nur weil es technische Gründe gab, dies nicht zu tun." "Coughlans Position bei McLaren (wie das WMSC erst jetzt realisiert) brachte ihn in eine Position, in der ihn die Kenntnis der geheimen Ferrari-Informationen in seiner Arbeit beeinflusst haben würde." Punkt 8.12: "Die Beweise lassen das WMSC darauf schließen, dass bis zu einem gewissen Grad ein sportlicher Vorteil erlangt wurde, auch wenn es für immer unmöglich bleiben könnte, diesen Vorteil konkret zu quantifizieren." Abschließend wird in Punkt 9.2 noch festgehalten, dass McLaren-Mercedes die Geldbuße innerhalb von drei Monaten überweisen muss, also spätestens bis zum 13. Dezember 2007. Und das WMSC klärt darüber auf, dass die Möglichkeit besteht, gegen das Urteil in Berufung zu gehen. Solange es aber kein endgültiges Resultat einer etwaigen Berufung gibt, bleibt der WMSC-Beschluss aufrecht. Was nach 15 Seiten Analyse des WMSC-Urteils klar ist: Die Behauptung der Silberpfeile, Coughlan habe nur auf eigene Faust gehandelt und niemandem sonst von den Ferrari-Informationen erzählt, ist entkräftet - zumindest de la Rosa und Alonso wussten definitiv von den Informationen und auch von deren Quelle. Allerdings muss man McLaren-Mercedes zugute halten, dass das WMSC nicht eindeutig nachweisen konnte, dass die Ferrari-Informationen tatsächlich verwendet wurden, um einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen. In den jeweiligen Passagen wurden nämlich immer Konjunktive verwendet und auf wahrscheinliche Annahmen verwiesen.
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